Grüße aus Babylon
- Autor Dr. Effertz
- Kategorie Apotheker, Systemwissen
- Datum Oktober 16, 2020
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Die Gründe für Meinungsverschiedenheiten zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern sind vielseitig. Dennoch lassen sich einige Grundprobleme herauskristallisieren, die nicht nur zu Verärgerung und Unverständnis auf beiden Seiten, sondern auch zu finanziell relevanten Rückforderungen (Regresse/Retaxationen) und dem damit verbundenen Verwaltungsaufwand führen.
Krankenkasse - Apotheker - Krankenkasse
Die Hauptprobleme der ständigen Missverständnisse und des Ärgers sind die unterschiedlichen Denkweisen und der unterschiedliche Sprachgebrauch der Beteiligen. Auf der einen Seite der naturwissenschaftlich und heilberuflich orientierte Leistungserbringer mit seiner patientenzentrierten Sichtweise; auf der anderen Seite die Mitarbeiter der Krankenkasse mit ihrem betriebswirtschaftlichen und/oder juristischen Grundverständnis. Derselbe Sachverhalt kann sich durch die unterschiedliche Betrachtungsweise völlig unterschiedlich darstellen. Ein Wörterbuch nach dem Vorbild der beliebten Langenscheidt-Serie sucht man im GKV-Bereich jedoch vergebens.
Beispiel
Immer wieder für Abgabeprobleme sorgen die Medizinprodukte. In der Praxis stellt sich nicht zuletzt aufgrund der Vereinigung der Bereiche Arznei-, Hilfs- und Verbandmittel in dieser Produktgruppe die Frage der Genehmigungspflicht.
Oft deuten bereits Arzt-/ und Apothekensoftware auf einen Erstattungsausschluss hin. Doch diese Hinweise sind aufgrund der Einschränkungen und Ausnahmen der Ausnahmen in der Versorgungsrealität allerdings zumeist wenig hilfreich. Im Zweifel entscheidet sich die Apotheke dann im Interesse des Patienten und zur eigenen Absicherung für eine Genehmigungsanfrage bei der Krankenkasse – kann ja abgesehen von dem eventuell unnötigen Mehraufwand nicht schaden.
Handelt es sich nun allerdings um einen Artikel der in der ambulanten Versorgung grundsätzlich nicht abgabefähig ist, entsteht durch dieses Vorgehen auch bei der Krankenkasse ein unnötiger Bearbeitungsmehraufwand. Denn ein von der Versorgung ausgenommener Artikel kann per se schon nicht genehmigungsfähig und damit nicht genehmigungspflichtig sein.
Da sich aufgrund der allgemeinen Verunsicherung Genehmigungsanfragen dieser Art häufen, haben auch einige Krankenkasse ihre Bearbeitungsprozesse optimiert. Genehmigungsanfragen für nicht genehmigungspflichtige Artikel werden mit Standardbriefen beantwortet, in denen – mehr oder minder ausführlich und begründet – eben auf die nicht vorhandene Genehmigungspflicht hingewiesen wird.
Das (Retax-)Unglück nimmt nun seinen Lauf, da der Apotheker den juristisch sauber formulierten Schreiben nur die Kernaussage bzgl. der Genehmigungspflicht entnimmt und einem folgenschweren Irrtum aufsitzt wenn er den Artikel nun abgibt. Denn es ist weder von der Krankenkasse eine Kostenübernahme zugesichert noch die Abgabefähigkeit bestätigt worden. Es wurde – ins “Apothekerdeutsch” übersetzt – ausschließlich mitgeteilt, dass die vorliegende Anfrage überflüssig war. Ein solches Schreiben kann die nie vorgelegene Erstattungsfähigkeit jedoch keinesfalls herbeiführen.
Einige Monate später ist die Verwunderung über die logische Retaxation dann zumeist groß. Es muss sich um einen Fehler der Abrechnungsstelle handeln. Schließlich hält man das entlastende Schriftstück der Krankenkasse in der Hand. Dies wird per Fax zusammen mit einigen verärgerten Zeilen als Einspruch eingesendet – diesen “Retax-Raubrittern” will man schließlich die Leviten lesen. Kommt dann die Ablehnung des mühevoll formulierten Einspruchs ins Haus versteht man die Welt dann überhaupt nicht mehr.
Gegenseitiges Verständnis verbessern
Dieses Beispiel verdeutlicht recht genau, was ich mit fehlgeschlagener Kommunikation zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern meine. Es wird ohne Berücksichtigung des Empfängerhorizonts auf völlig unterschiedlichen Ebenen miteinander kommuniziert. Dies führt zu teilweise verheerenden Fehlinterpretationen von Aussagen und Bestätigungen.
Jetzt könnte man an dieser Stelle von der GKV mehr Verständnis und Entgegenkommen verlangen. Jedoch sieht die Situation von außen betrachtet anders aus:
Zu den Rechten und Pflichten der Leistungserbringer in der GKV gehören neben betriebswirtschaftlichen Aspekten auch die Auseinandersetzung mit Rechtsvorschriften und Verträgen. Denn einen Vergütungsanspruch kann ein Leistungserbringer nur unter den Bedienungen der jeweiligen Versorgungsverträge erwerben. Dies dient dem Schutz der Beitragsstabilität der Solidargemeinschaft. Es ist dabei nicht erforderlich ein Meister dieser Disziplinen zu werden, aber ein Grundverständnis sorgt für einen besseren Fokus auf mögliche Stolpersteine sowohl in der vertragsgemäßen Patientenversorgung als auch in der direkten Kommunikation mit den Krankenkassen.
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